Die FAZ schreibt über OOXML

oder: „Selbst Heise-Trolle haben mehr Ahnung“

In dem heutigen Artikel „Microsofts Office OpenXML – Ein Dateiformat für die Computer der Zukunft“ steckt so viel unrecherchierter Müll drin, dass man selbst einem Heise-Troll eher einen Grimme-Preis verleihen könnte.

  1. Es gibt seit 2006 das OpenDocument Format, auch bekannt als ISO/IEC 26300 und von keinem einzelnen Hersteller abhängig
  2. Die Dateiendung für Dateien, die mit OOXML gespeichert werden, ist nicht „.xml“, sondern beispielsweise „.docx“ für Word-Dateien
  3. „.xml“-Dokumente können seit Office 2003 verwendet werden
  4. Sowohl die XML-Dokumente aus Office 2003, als auch die aus Office 2007 sind nicht im neuen ISO-Standard beschrieben, das neue Format in Office 2007 diente lediglich als Vorlage
  5. Welches der beiden im Artikel verwechselten/vermischten auch immer Carsten Knop meint, keines davon hat sich auf allen Plattformen, die er nennt („Linux, Windows, Mac OS und Palm OS“) verbreitet, geschweige denn „durchgesetzt“ und schon gar nicht als Standard, wahrscheinlich verwechselt er das mit ODF
  6. Warum wird erst erklärt, dem Standard stehe nun nichts mehr im Weg, dann heisst es, der Standard hätte sich schon auf vielen Plattformen eingefunden (s.o.) und am Ende des Artikels steht ein „[…] habe der Standard auch noch deutlich verbessert werden können“?
  7. Wie geht es denn dann, dass der im April 2008 durch Kommentare erweiterte und dann erst verabschiedete Standard „bereits in Office 2007 enthalten ist“, welches schon im Januar 2007 zusammen mit Vista verkauft wurde?

Zusammenfassend lässt sich also vermuten, dass Carsten Knop keine Ahnung hat, was er da eigentlich schreibt. Zumindest, was die Technik angeht. Aber seine Beschreibung im FAZ-Vorstellungsteil macht deutlich, dass er eigentlich was anderes tut: „Unternehmensberichterstattung“. Was auch immer das bedeutet, der OOXML-Artikel liest sich für mich so, dass da jemand ein Presserelease von Microsoft auf’s allerübelste verhackstückt hat, dazu noch ein paar Gedanken eines unbedarften, ein paar Gerüchte und ein paar Heise-Troll-Behauptungen und -Formulierungen.

Lieber Carsten, ein bekannter deutscher „Comedian“ hat vor ein paar Jahren eine weise Nachricht durch den Äther geschickt und damit meine ich nicht das Appelt’sche „Ficken“, es war Dieter Nuhr, der eine elementare Lebensweisheit zu bundesweiter Bekanntheit gebracht hat, ein geflügeltes Wort:

Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal: Fresse halten!

Klingt drastisch und gemein, ist aber verdammt richtig. Man muss ja schließlich nicht mit einem zum Fachwissen antiproportionalen Mitteilungsbedürfnis auffallen.

Update: Bei Tom’s Hardware findet sich eine kleine quantitative Gegenüberstellung: ODF: 860 Seiten, OOXML: über 6500 Seiten

3 Antworten auf „Die FAZ schreibt über OOXML“

  1. Da wir uns ja offenbar beim Vornamen nennen:

    Lieber Christian,

    warum ist es im Internet eigentlich erlaubt, mit jeder Kritik sogleich persönlich und vor allem verletzend zu werden?

    Das ist ungeschickt, da es doch jede sachliche Kritik, wenn sie denn vorab überhaupt vorgetragen wird, sogleich entwertet. Leider stelle ich dergleichen immer wieder fest, besonders dann, wenn man über Apple (vermeintlich negativ) oder über Microsoft (vermeintlich positiv) schreibt. Nun so ist die Welt, aber die Freunde der IT hinterlassen damit insgesamt einen recht ungehobelten Eindruck.

    Der o.g. Text hat leider in der Tat eine recht negative Resonanz gefunden. Das ist auch aus meiner Sicht sehr bedauerlich. Die Kommentatoren vergessen allerdings allesamt, dass man beim Leser einer allgemeinen Tageszeitung (und das Wort „Allgemeine“ trägt die F.A.Z. schon im Namen) solche technischen Diskussionen extrem abstrahieren muss, um sie überhaupt einem breiten Publikum verstänlich zu machen.

    Da Du meinen Lebenslauf offenbar gelesen hast, ist Dir klar, dass ich kein Unbedarfter sein kann, solltest Du damit mich gemeint haben.

    Ansonsten finden sich Passagen wie

    „Nach heftigem Streit mit Wettbewerbern und Kommunen wie der Stadt München…“

    oder: „Der erste Standardisierungsversuch für das von Microsoft hierzu ausersehene „Office Open XML“-Format war im September 2007 gescheitert.“

    oder: „Um die Anerkennung als ISO-Standard hatte es – wie in der wettbewerbsintensiven Technologiebranche üblich – in den vergangenen Monaten Streit gegeben. Ein Teil der Industrie um IBM, Google oder auch Sun Microsystems wehrte sich dagegen. Die Gruppe verweist darauf, dass das konkurrierende Format ODF („Open Document Format“) schon als ISO-Standard akzeptiert worden sei. Die Anerkennung von „Open XML“ sei daher unnötig und mache nur den Kunden das Leben schwerer, weil sich die beiden Formate nicht miteinander vereinbaren lassen.“

    wohl kaum in einer Pressemitteilung von Microsoft.

    Und wo im Text steht, das Microsoft Open XML-Format habe sich durchgesetzt? Das ODF-Format wird im Text ausdrücklich erwähnt (s.o.). Das Office-Programm (und seit wann man dort Dateien im Microsoft-XML-Format abspeichern kann) muss ich aber erwähnen, da sonst niemand mehr kapiert, worum es überhaupt geht. Jedenfalls nicht in einem breiten Fachpublikum, das ich auch von einem Dateikürzelsalat verschonen muss. Dass das Format nach der Standardisierung abermals verändert werden muss, ist wahr – hierfür war in dem Artikel aber leider kein Platz mehr. Und es ist auch ein technisches Detail, das wieder hauptsächlich die Fachwelt interessiert.

    Und warum in der Softwareindustrie grundsätzlich nicht gilt: „Ein Standard ist ein Standard ist ein Standard“, das ist ein anderes Thema.

    Da hat Microsoft viel verbockt. Die andere, vermeintlich gute Seite aber auch.

    Beste Grüße und das nächste mal vielleicht nicht ganz so gehässig formulieren.

    Carsten

  2. Lieber Carsten,

    mit positiven Tönen über Apple hättest Du bei mir sicher auch nicht eine umfassende zustimmende, jubelnde Antwort bekommen.
    Und ich gebe zu, dass meine Kritik sicherlich nicht die freundlichste war und ist, aber ich hatte eigentlich nicht beabsichtigt, damit persönlich zu werden. Meine in mancher Hinsicht durchaus überspitzte Kritik bezog sich auf den Artikel, nicht auf die Person Carsten Knop.

    Natürlich ist mir bewusst, dass man auf einer Normalbürger-Ebene das ganze etwas abstrahieren bzw. vereinfachen muss, aber:

    Eine Vereinfachung bedeutet meines Wissens nicht, dass man schlecht recherchierte Tatsachenbehauptungen aufstellen kann. Ich verweise hier noch einmal auf die oben stehende Liste von Fehlern, die sich durch die Kommentare bei faz.net noch erweitern lässt.

    Die Behauptung, dass der OOXML-Standard bereits in Office 2007 enhalten ist, ist einfach ebenso falsch, wie die, dass sich der „Standard“ schon auf diversen Plattformen durchgesetzt oder eingefunden haben soll, nur als Beispiel.

    Denn wenn Du das Programm schon erwähnen musst, mag sein, aber dann doch bitte richtig. schließlich hat Office 2007 den Grundstein für OOXML gelegt, das mag sein, aber die Implementation ist eben nur ein grober Entwurf des vorgelegten Standards.

    Und das ist auch kein unwichtiges Detail, da es für Entscheider eben doch wichtig ist, ob und wo der Standard implementiert ist, oder nicht. Und nicht jeder, der entscheidet, hat eben auch Ahnung von solchen Dingen.

    Und ja, der Hinweis auf den Unternehmensberichterstatter hatte ich auf Dich bezogen, schließlich steht das ja in deinem Lebenslauf, oder? Aber eine Tätigkeit als Unternehmensberichterstatter bedeutet ja nicht gleich eine Ahnung von Dateiformaten und ISO-Standards bzw. deren Inhalt im einzelnen, oder?

    Was mich einfach ganz besonders gestört hat, war die Tatsache, dass in dem Artikel extrem viele Fehler stecken, die man selbst mit einer viertelstündigen Recherche im Internet einfach hätte beheben können. Zugleich lesen sich Teile des Artikels eben auch wie direkt wortwörtlich aus einer MS-Pressemitteilung entnommen, die gekennzeichneten Originalzitate ausgenommen, und wenn ich so durch die Kommentare bei der FAZ lese, kam das nicht nur mir so vor.

    Um zum Schluss zu kommen: Es tut mir wirklich leid, dass Du dich hier als Mensch angegriffen gefühlt hast, denn so war die Kritik nicht gedacht, auch wenn ich hier die eine oder andere fiese Bemerkung (siehe Dieter Nuhr) habe fallen gelassen, aber ich bitte darum, dies als sinngemäßes Zitat und nicht als persönlichen Angriff zu sehen.

    Und wer weiss, ob Du dich vielleicht andernfalls hier zu Wort gemeldet hättest. Auf jeden Fall begrüße ich deine Antwort hier.
    Chris

  3. Wenn ein Artikel Müll ist, darf man ihn doch als Müll bezeichnen, oder? Die FAZ lesen viele Menschen. Die Wissenslücken eines Autors verbreiten sich so sehr schnell und werden zu falschen Wahrheiten. Das spielt bloss Microsoft in die Hände – nicht aber der Wahrheit und gutem Journalismus.

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