Ich habe heute eine Diskussion per Twitter geführt, mit @timmhofmann. Anlass war der Artikel zum Thema „EU-Kommission will automatisches Notrufsystem einführen„.
WTF! http://is.gd/e1R8c6 – (t)
@campino2k Einerseits sinnvoll, andererseits frage ich mich wer dann die Fehlalarme bezahlen soll. – (t)
@timmhofmann Ständiger GPS-Sender im Auto? Verknüpft mit Kennzeichen und Halter per St.-ID wg. KFZ-St.? GUTE IDEE??? O.o – (t)
@campino2k Wo steht das (beides)? Natürlich muss so ein System von Anfang an im Bezug auf Datenschutz entwickelt werden. – (t)
@timmhofmann Zusammen mit dem Weihnachtsmann und dem Osterhasen? Ich bin da eher pessimistisch. – (t)
@campino2k Deswegen rundheraus ablehnen ist aber auch keine Lösung – besser auf Gefahren hinweisen und auf Datenschutz dringen ;-) – (t)
@timmhofmann So wie mit Kennzeichen-Scanning, DNA- und Fingerabdrücken, der VDS und anderen „Dateien“? – (t)
@timmhofmann Ich vergaß: Netzsperren und Personenkennziffern im Steuerrecht. Und SWIFT. – (t)
@campino2k Trotzdem wird Totalverweigerung irgendwann unglaubwürdig… Es kommt IMHO immer drauf an, wofür ein System gedacht ist. – (t)
@timmhofmann Meine Erfahrung zeigt, dass man dabei auch mitbedenken muss, wofür so ein System missbraucht werden kann. – (t)
@campino2k Richtig – und dass man es so aufbaut, dass ein Missbrauch möglichst ausgeschlossen werden kann ;-) – (t)
Wie sichert man das System gegen Missbrauch? Wer kommt wann, wo, wie und unter welchen Bedingungen an die Daten? Wer bezahlt die Datenübertragung und wohin gehen die Daten?
Wie sichert man das System gegen eventuelle Gesetzesänderungen, die einen Missbrauch ermöglichen?
Ich behaupte, gerade, wenn man Gesetzesänderungen mit in das Szenario einbezieht, wird ein Missbrauch der Daten sehr wahrscheinlich. Aber das ist ja alles nur zu unserem Besten. Und Datenschutz ist Täterschutz. Und so. Man kennt die Argumentationskette.
Zusätzlich zu Timms Frage, wer für Fehlalarme haftet, stelle ich die Frage auf: Wer profitiert von so einem System mehr: der Datensammler oder der Daten“geber“? Daran sollte sich das System messen lassen. Und warum soll das verpflichtend sein?
Sind Szenarien wie „Ich gebe meiner KFZ-Versicherung Zugriff auf die Daten und bezahle nur gefahrene Kilometer?“ und „Wenn ich mit dem Auto zur falschen Zeit am falschen Ort geparkt habe kann ich in das Visier von Ermittlungen geraten“ denkbar?
Nicht dass ich den (offensichtlichen) Sinn des Projektes nicht erkennen würde, mir ist da allerdings das Missbrauchspotential zu hoch.
Bin ich zu paranoid oder Timm zu gutgläubig? Wie steht ihr dazu?
Bist aber mit der Paranoia nicht allein. Ich möchte sowas verpflichtendes nicht im Auto haben.
Mich nervt ja ohnehin schon, dass einfach zu viel Elektronik im Auto ist. Autos kommen mit Softwarefehlern in die Werkstatt usw. Wenn ich mir jetzt ein Auto aussuchen könnte wäre das ein guterhaltendes und gepflegtes Auto aus den 70ern oder 80ern, so ein kultiger VW Bus/Bulli zB. Definitiv kein Neuwagen mit den ganzen anfälligen Elektronik und Software, wo eine geplante Obsoleszenz ja schon naheliegend ist. (Uhhhhh… noch mehr Paranoia!)
Fluggastdatenspeicherung reicht ja nicht wenn man frei mit dem Auto wo hinfahren kann. Da muß was fürs Auto her, dringend! Mit Terrorismus geht da sicher auch noch was, mal den Friedrich fragen.
Weg vom Auto, aber toll ist ja auch das für die neuen Gesundheitskarten der Krankenkassen von ihren Mitgliedern nun durch Gesetz biometrische Passbilder vorgeschrieben werden. Das biometrische Passsbild und die mögliche Speicherung der gesamten Patientenakte ist ja auch nur zu unserem Besten. Mit Passbild kann ja keiner die Karte klauen um mit der dann zum Arzt gehen, die Akte beugt ja doppel Untersungen vor usw.
Ist doch schön wenn jemand genau weiß und nachvollziehen kann, wo du hinfährst mit dem Auto, Auf dem Parkplatz schaut dann die Kamera wer ins Auto ein- und aussteigt, wann und wieso du zum Arzt gehst. Ist doch super so weiß bei einem Unfall ganz schnell die Feurwehr wo der Unfall war, wer und wieviele Personen beteidigt sind und der Notarzt kennt auch gleich schon die komplette Patientenakte. Aber bevor sie ausrücken und was tun noch schnell geschaut ob artig Steuern und Kassenbeiträge bezahlt sind. Zur Sicherheit dann noch den Perso auslesen und alles schön miteinander verknüpfen.
Ach wie gut sorgt sich doch die EU um uns! (Ironie)
Orwell’s 1984 kommt immer näher, dank der EU!
Da die 140 Zeichen sich für eine echte argumentative Diskussion nicht so wirklich eignen, hier noch mal mein Standpunkt in „länger“:
Natürlich hast du recht, was deine Fragen bezüglich Missbrauch des Systems angeht. Leider ist die Spezifikation wohl noch nicht ganz fertig, entsprechend kann man dazu natürlich noch nicht endgültig was sagen.
Was ich allerdings aus den Informationen von der Kommission bzw. nach kurzer Wikipedia-Recherche sehe, beunruhigt mich aus technischer Sicht jetzt erst mal nicht. Bei dem System (bzw. dem Steuergerät dazu) handelt es sich um eine Black Box, die nur bei einem Unfallereignis (wobei ich mich hier immer noch frage, wie genau man das definieren will) bzw. nach manueller Auslösung die beschriebenen Informationen überträgt – und zwar an eine fest eingetragene, EU-Weit einheitliche Notrufnummer (wieder die Frage, wie genau das funktionieren soll: In-Band? SMS? GPRS/UMTS?).
Da diese Einstellungen, wie bei Notrufsystemen üblich, vom Hersteller hart im Steuergerät einprogrammiert werden, ist hier das potential für einen späteren Missbrauch IMHO sehr gering – solange das System auch genau so implementiert wird. Das muss man von Seite der „kritischen Öffentlichkeit“ tatsächlich überwachen und auch im jetzigen Stadium genauere Informationen zum aktuellen Stand der Spezifikation anfordern.
Soviel zur konkreten Lösung – wenn man das Thema weitergehend betrachtet bin ich voll bei dir. Auf dem Wege des automatischen Notrufs werden alle Fahrzeuge mit GPS und Mobilfunk ausgerüstet, entsprechenden weitergehende Ideen (Stichwort Telematik) wird damit der Weg in die Breite Masse geebnet. Das muss auch erst mal nichts schlechtes sein, ich kann mir da sehr viele tolle Anwendungen vorstellen. Unsere obersten Überwachungsfans wahrscheinlich auch. Und genau hier muss man IMHO ansetzen – nicht Technologien komplett ablehnen, nur weil sie auch für Überwachung genutzt werden können, sondern dafür sorgen, dass sie nicht dafür genutzt werden. Im konkreten Fall heißt das z.B. dass die Verpflichtung sich wirklich nur auf unbedenkliche Funktionen beschränkt, dass sich die Anbieter anderer Dienste an die Datenschutzregeln halten, dass es klare Vorgaben zum Zugriff durch staatliche Stellen gibt usw.
Die Grundelegende Frage (Technik nutzen ja/nein) ist sowieso eher philosophisch und hat nicht unbedingt was mit Paranoia oder Gutgläubigkeit zu tun – die Realität muss sich immer irgendwo zwischen beiden Extremen abspielen. Ich fände z.B. die Möglichkeit, nur nach gefahrenen km die KFZ-Steuer zu bezahlen durchaus eine Überlegung wert. Hierbei müssen natürlich alle möglichen Fragen (nicht nur im Bezug auf Datenschutz und -missbrauch, sondern auch in anderen Bereichen) vorher beantwortet werden, und danach kann man entscheiden, ob man so was macht und wie die Lösung genau aussehen soll.
Nur muss man sich die Fragen auch tatsächlich stellen, ergebnisoffen beantworten und die Interessen von Datensammlern und -sendern auch wirklich betrachten. Daran scheitert es ja in der Realität meistens…